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Kolumne aus der Berner Kulturagenda Nr. 11 (31. Mai bis 14. Juni 07)

Der Kanton Bern vergibt jährlich Preise für literarische Werke. Bedingung: Das Werk muss frisch auf dem Büchermarkt oder der Theaterbühne erschienen und von einem Mann verfasst worden sein. Letzteres steht zwar nicht im Reglement (wäre ja auch rechtswidrig), doch die Statistik spricht Klartext. In den letzten fünf Jahren wurden 23 Männer und 0 Frauen ausgezeichnet. Meine Kolleginnen der Berner Autorinnengruppe „Almösen“ und ich haben uns schon gefragt, ob wir uns kollektiv in eine Geschlechtsumwandlungsklinik begeben sollen. Nur wird eine Jury, die Frauen als schreibende Menschen zweiter Klasse betrachtet, gegenüber Transen wohl kaum aufgeschlossener sein. Auf keinen Fall lassen wir uns einreden, dass wir unseren männlichen Kollegen sprachlich unterlegen seien. Bei Blindjurierungen siegen regelmässig die Frauen. Am Nachwuchswettbewerb der Solothurner Literaturtage 07 wurden 6 Frauen und 1 Mann ausgezeichnet. Leider lassen sich beim kantonalen Literaturpreis Name und Geschlecht der Schreibenden schlecht geheim halten, weil die Bücher bereits auf dem Markt sind. Es könnte nur funktionieren, wenn man die Jurymitglieder das Jahr über mit Kontaktverbot zur Aussenwelt einsperren würde. Was sie eigentlich auch verdient hätten.
Schon fast zynisch mutet an, dass die Jury mit Wilfried Meichtrys Biografie von Iris von Roten ausgerechnet ein Buch über den Gleichstellungskampf auszeichnet. Von Roten wurde 1958 mit „Frauen im Laufgitter“ zur meistgehassten Schweizerin. Einen Preis hat sie nicht erhalten. Im Gegenteil, sie wurde geächtet, verlor den Verlag und beging 1990 kurz vor der Neuauflage Selbstmord. Für uns zeitgenössischen Autorinnen gibts also doch noch Hoffnung auf Anerkennung: Wir brauchen einen Mann, der 50 Jahre nach erscheinen unserer laut Jurybefund nichtpreiswürdigen Werke unser Leben aufzeichnet. Er kriegt dann vom Kanton Bern 10 000 Franken und wir zwei neue Google-Einträge. Davon hat man auch eine Weile gelebt, sofern man sich vorher nicht umgebracht hat.